Haftung von Stiftungsräten, Revisionsstelle und Anlageberater betreffend Vermögensanlage

Entscheid Bundesgericht 9C_752/2015 vom 28. Dezember 2016

Ausgangslage

Die 1994 errichtete Sammelstiftung warb mit einer garantierten Verzinsung der Altersguthaben von 5% bei dreijährigen Verträgen. In der Finanzkrise brachen ihre Vermögensanlagen ein. Ende September 2001 hatte sie noch einen Deckungsgrad von 81.55% und der Stiftungsrat erwog ernstlich die Liquidation. Stattdessen kam er alsdann aber überein, die Sammelstiftung zu sanieren. Wesentliche Sanierungsmassnahme war laut Bundesgericht, die Aktienanlagen einem Trader (es dürfte sich um Dieter Behring handeln) zu übergeben. Dieser sollte eine Performance von jährlich 15% erreichen. Doch der Deckungsgrad sank weiter, bis das BSV im April 2003 die Liquidation verfügte. Der Sicherheitsfonds (SiFo) musste CHF 49.9 Mio. einschiessen.

Rechtsweg

Die Klage, die der SiFo in der Folge gegen zahlreiche Verantwortliche erhob, wies das Sozialversicherungsgericht Zürich ab; dagegen erhob der SiFo Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses kam zu einem ganz anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Das Urteil lässt erkennen, dass das Bundesgericht mit der Arbeit des Sozialversicherungsgerichts Zürich wenig zufrieden war.

Aus dem Bundesgericht

Das Bundesgericht befasste sich zunächst mit der Rolle der Stiftungsräte. Der Vorwurf des SiFo lautete, dass die Anlagestrategie der Sammelstiftung angesichts fehlender Wertschwankungsreserven von Anfang an zu riskant gewesen sei und alsdann noch riskanter gemacht worden war, als ein gezielt agierenden Trader eingesetzt worden sei. Damit sei der Grundsatz der Sicherheit (Art. 71 BVG) verletzt worden. Die Vorinstanz hatte dazu erwogen, das Anlagereglement habe eine aktive Anlagestrategie zugelassen und das Anlagerisiko sei mit der aktiven Strategie nicht erhöht worden, da die Aktienquote gleich geblieben sei. Es sei nicht ersichtlich, welche reglementarischen oder gesetzlichen Vorschriften verletzt worden seien. Zwar sei Sicherheit in der Vermögensanlage von Pensionskassen wichtig, jedoch sei der Grundsatz der genügenden Rentabilität gleichwertig.

Das Bundesgericht hält zunächst fest, das Sozialversicherungsgericht habe den Begriff der Risikofähigkeit nicht richtig verstanden. Es sei nicht darum gegangen, zu beurteilen, ob die Sollrendite von 7% mit der eingeschlagenen Anlagestrategie theoretisch erzielbar gewesen wäre oder nicht. Richtig wäre einzig gewesen, sich zu überlegen, ob mit der gewählten Anlagestrategie erfahrungsgemäss zu erwartende marktbedingte Schwankungen des Gesamtvermögens hätten ausgeglichen werden können und ob genügend liquide oder liquidierbare Mittel zur Verfügung standen, um laufende und künftige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dazu sei weder auf einzelne Anlagen noch auf die Verpflichtungen gegenüber den Destinatären abzustellen, sondern auf die Gesamsituation.

Die Vorinstanz habe es ferner nicht verstanden, die Schwankungsreserven als wesentliches Element der Risikofähigkeit in Relation zum Aktienengagement zu setzen. Sie habe einzelne für die Beurteilung der Risikofähigkeit relevante Parameter zwar isoliert betrachtet, aber nicht der Gesamtsituation Rechnung getragen. Die Vorinstanz habe sodann nicht beachtet, dass die Sammelstiftung extrem stark wuchs und ihren Bestand z.B. von 1998 auf 1999 verdoppelte. Dies war laut Bundesgericht ein gewichtiger Risikofaktor, da Neueintretende sich in die Wertschwankungsreserven nicht einkaufen mussten, sondern diese laufend verwässerten. Unter Berücksichtigung all dieser Elemente qualifiziert das Bundesgericht bereits den Aktienanteil von 23%, den die Sammelstiftung im Jahr 1999 hatte, als „grenzwertig hoch“. Es sei damals schon hinreichend bekannt gewesen, dass Investitionen in risikoreiche Anlagen wie Aktien nur zulässig seien, wenn ausreichend Wertschwankungsreserven bestünden. Dazu erwähnt es die „goldene Grundregel“, wonach Aktienanlagen nur soweit zulässig sind, als freie Mittel im Umfang von mind. 1/3 des gesamten Aktienengagements vorhanden sind. Vorliegend habe das Anlagereglement zwar Wertschwankungsreserven von 20% des Kurswerts der Aktien vorgesehen, jedoch seien diese zu keinem Zeitpunkt vollständig geäufnet gewesen. Damit hätte bereits 1999 Anlass bestanden, die Asset Allocation kritisch zu überprüfen. Im Jahr 2000 habe der Stiftungsrat die Aktienquote stattdessen noch auf 33.9% erhöht, sodass Ende 2000 Aktienanlagen von gut 1/3 des Gesamtvermögens nur noch Wertschwankungsreserven von 2.6% gegenüber standen. Dies sei nun klar unzureichend. Damit ist für das Bundesgericht erstellt, dass der Stiftungsrat das Gebot der Sicherheit der Anlagen und die Pflicht zur Führung der Vorsorgeeinrichtung im Bereich der Vermögensanlage verletzte.

Ebenfalls sorgfaltswidrig ist laut Bundesgericht, dass der Stiftungsrat dem ab 1999 tätigen Vermögensverwalter keine nähere Umschreibung des aktiven Anlagestils vorgegeben hatte und – v.a. – dass kein Benchmark definiert worden war. Damit unterliess er auch die Risikokontrolle oder – wie es das Bundesgericht ausdrückt – „dem Ausmass und der Aggressivität des aktiven Managements“ Grenzen zu setzen. Damit seien Tür und Tor für eine Erhöhung des ohnehin schon zu hohen Anlagerisikos geöffnet worden.

Als zentral hervorzuheben ist aus den weiteren Ausführungen des Bundesgerichts die Aussage, dass Anlagen innerhalb der Grenzwerte der BVV2 nicht per se zulässig sind, sondern nur insoweit, als sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 71 BVG genügen.

Nur noch kurz geht das Bundesgericht alsdann auf die Vermögensanlagen im System des Traders (Behring) ein, der eine 15%-ige Rendite versprochen hatte und dem die Stiftung im November 2001 rund ¼ ihres Vermögens anvertraute. Die Vorinstanz hatte wiederum argumentiert, die angestrebte Rendite von 15% sei zwar wohl hoch gewesen, aber sie habe nicht unmöglich geschienen resp. habe man nicht davon ausgehen müssen, dass sie nur unter Inkaufnahme gänzlich unvertretbarer Risiken möglich sei. Dass das regelbasierte Anlagesystem des Traders nicht funktioniert habe, habe man halt damals noch nicht gewusst. Noch einmal stellt das Bundesgericht dazu klar, dass bei einem Anlageentscheid nicht massgeblich ist, ob die versprochene Rendite erreichbar scheint, sondern einzig, ob das Engagement der Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung entspricht oder nicht.

Insgesamt hatte der Stiftungsrat laut Bundesgericht die Führungspflicht und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt. Die weitere Untersuchung des Bundesgerichts zeigt, dass gerade dieses Element wesentlich war für den (kausal) hervorgerufenen Schaden.

Anders als beim Stiftungsrat, sah das Bundesgericht bei der vom SiFo unter Art. 56a BVG ins Recht gefassten Vermögensverwalterin keinen Grund, das vorinstanzliche Urteil zu verschärfen. Dieses sah nur in Zusammenhang mit einzelnen Transaktionen (Verkauf Fondsanteile) eine Pflichtverletzung als gegeben.

Auch hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Kontrollstelle beliess es das Bundesgericht beim vorinstanzlichen Urteil. Zur Diskussion stand hier u.a., dass verwandtschaftliche Beziehungen zum Stiftungsrat bestanden. Das Bundesgericht ging auf diesen Punkt aber nicht ein, da der SiFo nicht dargelegt hatte, inwiefern die (behauptete) fehlende Unabhängigkeit für den eingetretenen Schaden relevant war; es fehlte also an der Darlegung der Kausalität.

Ganz allgemein lässt das Urteil erkennen, dass das Bundesgericht die Formalien auch im einfachen und raschen Verfahren nach Art. 73 BVG streng einhält: Wer z.B. nur die Vorgehensweise eines Organs bemängelt, aber nicht exakt dartut, i) welcher Teilgehalt ii) welche Rechtsnorm durch iii) welche Handlung/Unterlassung verletzt ist, wird vom Bundesgericht nicht gehört, selbst wenn sprichwörtlich Fleisch am Knochen wäre.

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Haftung von Stiftungsräten, Revisionsstelle und Anlageberater betreffend Vermögensanlage

Entscheid Bundesgericht 9C_752/2015 vom 28. Dezember 2016

Ausgangslage

Die 1994 errichtete Sammelstiftung warb mit einer garantierten Verzinsung der Altersguthaben von 5% bei dreijährigen Verträgen. In der Finanzkrise brachen ihre Vermögensanlagen ein. Ende September 2001 hatte sie noch einen Deckungsgrad von 81.55% und der Stiftungsrat erwog ernstlich die Liquidation. Stattdessen kam er alsdann aber überein, die Sammelstiftung zu sanieren. Wesentliche Sanierungsmassnahme war laut Bundesgericht, die Aktienanlagen einem Trader (es dürfte sich um Dieter Behring handeln) zu übergeben. Dieser sollte eine Performance von jährlich 15% erreichen. Doch der Deckungsgrad sank weiter, bis das BSV im April 2003 die Liquidation verfügte. Der Sicherheitsfonds (SiFo) musste CHF 49.9 Mio. einschiessen.

Rechtsweg

Die Klage, die der SiFo in der Folge gegen zahlreiche Verantwortliche erhob, wies das Sozialversicherungsgericht Zürich ab; dagegen erhob der SiFo Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses kam zu einem ganz anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Das Urteil lässt erkennen, dass das Bundesgericht mit der Arbeit des Sozialversicherungsgerichts Zürich wenig zufrieden war.

Aus dem Bundesgericht

Das Bundesgericht befasste sich zunächst mit der Rolle der Stiftungsräte. Der Vorwurf des SiFo lautete, dass die Anlagestrategie der Sammelstiftung angesichts fehlender Wertschwankungsreserven von Anfang an zu riskant gewesen sei und alsdann noch riskanter gemacht worden war, als ein gezielt agierenden Trader eingesetzt worden sei. Damit sei der Grundsatz der Sicherheit (Art. 71 BVG) verletzt worden. Die Vorinstanz hatte dazu erwogen, das Anlagereglement habe eine aktive Anlagestrategie zugelassen und das Anlagerisiko sei mit der aktiven Strategie nicht erhöht worden, da die Aktienquote gleich geblieben sei. Es sei nicht ersichtlich, welche reglementarischen oder gesetzlichen Vorschriften verletzt worden seien. Zwar sei Sicherheit in der Vermögensanlage von Pensionskassen wichtig, jedoch sei der Grundsatz der genügenden Rentabilität gleichwertig.

Das Bundesgericht hält zunächst fest, das Sozialversicherungsgericht habe den Begriff der Risikofähigkeit nicht richtig verstanden. Es sei nicht darum gegangen, zu beurteilen, ob die Sollrendite von 7% mit der eingeschlagenen Anlagestrategie theoretisch erzielbar gewesen wäre oder nicht. Richtig wäre einzig gewesen, sich zu überlegen, ob mit der gewählten Anlagestrategie erfahrungsgemäss zu erwartende marktbedingte Schwankungen des Gesamtvermögens hätten ausgeglichen werden können und ob genügend liquide oder liquidierbare Mittel zur Verfügung standen, um laufende und künftige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dazu sei weder auf einzelne Anlagen noch auf die Verpflichtungen gegenüber den Destinatären abzustellen, sondern auf die Gesamsituation.

Die Vorinstanz habe es ferner nicht verstanden, die Schwankungsreserven als wesentliches Element der Risikofähigkeit in Relation zum Aktienengagement zu setzen. Sie habe einzelne für die Beurteilung der Risikofähigkeit relevante Parameter zwar isoliert betrachtet, aber nicht der Gesamtsituation Rechnung getragen. Die Vorinstanz habe sodann nicht beachtet, dass die Sammelstiftung extrem stark wuchs und ihren Bestand z.B. von 1998 auf 1999 verdoppelte. Dies war laut Bundesgericht ein gewichtiger Risikofaktor, da Neueintretende sich in die Wertschwankungsreserven nicht einkaufen mussten, sondern diese laufend verwässerten. Unter Berücksichtigung all dieser Elemente qualifiziert das Bundesgericht bereits den Aktienanteil von 23%, den die Sammelstiftung im Jahr 1999 hatte, als „grenzwertig hoch“. Es sei damals schon hinreichend bekannt gewesen, dass Investitionen in risikoreiche Anlagen wie Aktien nur zulässig seien, wenn ausreichend Wertschwankungsreserven bestünden. Dazu erwähnt es die „goldene Grundregel“, wonach Aktienanlagen nur soweit zulässig sind, als freie Mittel im Umfang von mind. 1/3 des gesamten Aktienengagements vorhanden sind. Vorliegend habe das Anlagereglement zwar Wertschwankungsreserven von 20% des Kurswerts der Aktien vorgesehen, jedoch seien diese zu keinem Zeitpunkt vollständig geäufnet gewesen. Damit hätte bereits 1999 Anlass bestanden, die Asset Allocation kritisch zu überprüfen. Im Jahr 2000 habe der Stiftungsrat die Aktienquote stattdessen noch auf 33.9% erhöht, sodass Ende 2000 Aktienanlagen von gut 1/3 des Gesamtvermögens nur noch Wertschwankungsreserven von 2.6% gegenüber standen. Dies sei nun klar unzureichend. Damit ist für das Bundesgericht erstellt, dass der Stiftungsrat das Gebot der Sicherheit der Anlagen und die Pflicht zur Führung der Vorsorgeeinrichtung im Bereich der Vermögensanlage verletzte.

Ebenfalls sorgfaltswidrig ist laut Bundesgericht, dass der Stiftungsrat dem ab 1999 tätigen Vermögensverwalter keine nähere Umschreibung des aktiven Anlagestils vorgegeben hatte und – v.a. – dass kein Benchmark definiert worden war. Damit unterliess er auch die Risikokontrolle oder – wie es das Bundesgericht ausdrückt – „dem Ausmass und der Aggressivität des aktiven Managements“ Grenzen zu setzen. Damit seien Tür und Tor für eine Erhöhung des ohnehin schon zu hohen Anlagerisikos geöffnet worden.

Als zentral hervorzuheben ist aus den weiteren Ausführungen des Bundesgerichts die Aussage, dass Anlagen innerhalb der Grenzwerte der BVV2 nicht per se zulässig sind, sondern nur insoweit, als sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 71 BVG genügen.

Nur noch kurz geht das Bundesgericht alsdann auf die Vermögensanlagen im System des Traders (Behring) ein, der eine 15%-ige Rendite versprochen hatte und dem die Stiftung im November 2001 rund ¼ ihres Vermögens anvertraute. Die Vorinstanz hatte wiederum argumentiert, die angestrebte Rendite von 15% sei zwar wohl hoch gewesen, aber sie habe nicht unmöglich geschienen resp. habe man nicht davon ausgehen müssen, dass sie nur unter Inkaufnahme gänzlich unvertretbarer Risiken möglich sei. Dass das regelbasierte Anlagesystem des Traders nicht funktioniert habe, habe man halt damals noch nicht gewusst. Noch einmal stellt das Bundesgericht dazu klar, dass bei einem Anlageentscheid nicht massgeblich ist, ob die versprochene Rendite erreichbar scheint, sondern einzig, ob das Engagement der Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung entspricht oder nicht.

Insgesamt hatte der Stiftungsrat laut Bundesgericht die Führungspflicht und damit seine Sorgfaltspflicht verletzt. Die weitere Untersuchung des Bundesgerichts zeigt, dass gerade dieses Element wesentlich war für den (kausal) hervorgerufenen Schaden.

Anders als beim Stiftungsrat, sah das Bundesgericht bei der vom SiFo unter Art. 56a BVG ins Recht gefassten Vermögensverwalterin keinen Grund, das vorinstanzliche Urteil zu verschärfen. Dieses sah nur in Zusammenhang mit einzelnen Transaktionen (Verkauf Fondsanteile) eine Pflichtverletzung als gegeben.

Auch hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Kontrollstelle beliess es das Bundesgericht beim vorinstanzlichen Urteil. Zur Diskussion stand hier u.a., dass verwandtschaftliche Beziehungen zum Stiftungsrat bestanden. Das Bundesgericht ging auf diesen Punkt aber nicht ein, da der SiFo nicht dargelegt hatte, inwiefern die (behauptete) fehlende Unabhängigkeit für den eingetretenen Schaden relevant war; es fehlte also an der Darlegung der Kausalität.

Ganz allgemein lässt das Urteil erkennen, dass das Bundesgericht die Formalien auch im einfachen und raschen Verfahren nach Art. 73 BVG streng einhält: Wer z.B. nur die Vorgehensweise eines Organs bemängelt, aber nicht exakt dartut, i) welcher Teilgehalt ii) welche Rechtsnorm durch iii) welche Handlung/Unterlassung verletzt ist, wird vom Bundesgericht nicht gehört, selbst wenn sprichwörtlich Fleisch am Knochen wäre.