Wie lange kann der Arbeitgeber PK-Beiträge beim Arbeitnehmer nachfordern?

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts bringt Klärung.

Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin war seit September 2004 mit variablem Pensum beim Arbeitgeber beschäftigt. Versehentlich war sie nicht bei der Pensionskasse (PK) angemeldet worden. Im Jahr 2011 wurde der Fehler entdeckt, und die Frau wurde nachträglich bei der PK gemeldet. Die Kasse forderte beim Arbeitgeber Beiträge nach. Entsprechend wollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer-Anteil, den er nicht vom Lohn abgezogen hatte, bei der Arbeitnehmerin nachfordern. Diese war damit nicht einverstanden.

Rechtsstreit

Der gerichtliche Streit drehte sich v.a. um die Frage, auf welche Rechtsnorm der Arbeitgeber seine Forderung stützen könne, nämlich:

  • Art. 62 ff. OR (allgemeines Bereicherungsrecht) oder
  • Art. 66 Abs. 3 BVG. Dieser lautet:

Der Arbeitgeber zieht den in den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung festgelegten Beitragsanteil des Arbeitnehmers vom Lohn ab.

Der Streit war nicht rein akademischer Natur, sondern wegen der unterschiedlichen Verjährung äusserst relevant:

  • Ansprüche nach Art. 62 ff. OR verjähren 1 Jahr ab Kenntnis des Anspruchs (relative Verjährung). Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin am 4. September 2012 eine genaue Berechnung der Nachforderung geschickt und damit seine Kenntnis des Anspruchs dokumentiert. Bei Klageerhebung im März 2014 war die Forderung nach Bereicherungsrecht unzweifelhaft (gesamthaft) verjährt.
  • Ansprüche auf Beiträge und Leistungen im BVG verjähren dagegen nach Art. 41 Abs. 2 BVG. Hier kommt es nicht auf die Kenntnis des Anspruchs als Ganzes an. Vielmehr verjähren die einzelnen Forderungen auf periodische Beiträge jeweils nach 5 Jahren (rollend). Nach dieser Norm waren bei Klageerhebung im März 2014 die Arbeitnehmer-Beiträge der letzten 5 Jahre noch nicht verjährt und damit rückforderbar.

Urteil des Bundesgerichts

Während das kantonale Gericht noch davon ausging, dass das Bereicherungsrecht nach Art. 62 ff. OR anwendbar sei, entschied das Bundesgericht, dass sich die Nachforderung der Arbeitnehmerbeiträge nach Art. 66 Abs. 2 BVG richtet und sie daher nach Art. 41 Abs. 2 BVG verjähren. Somit musste die Arbeitnehmerin ihren Anteil an die PK-Beiträge für die letzten 5 Jahre an den Arbeitgeber zurückzahlen. Das Bundesgericht argumentierte, für diese Regelung spreche, dass die Ansprüche der Kasse gegen den Arbeitgeber und die seinigen gegen den Arbeitnehmer gleichgeschaltet seien.

Kritik

Die bundesgerichtliche Begründung ist unter mehreren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen sehen die anschlussvertraglichen Grundlagen meist vor, dass der Arbeitgeber für Schaden haftet, den er der Kasse durch Unsorgfalt verursacht. Soweit Beitragsforderungen der Kasse gegenüber dem Arbeitgeber verjährt sind, weil dieser einen Arbeitnehmer zu melden vergessen hatte, bleibt noch immer zu prüfen, ob sie nicht dennoch, als Schadenersatz, vom Arbeitgeber geschuldet sind. Zum anderen – und das scheint mir das gewichtigere Argument – hat die Sondernorm von Art. 66 Abs. 3 BVG den Charakter einer Ordnungsvorschrift. Sie umschreibt die praktische Handhabung der Arbeitnehmerbeiträge im Regelfall. Weder vom Wortlaut noch vom Charakter her hat diese Norm die Qualität einer Anspruchsgrundlage. Nach meiner persönlichen Auffassung begründet sie keinen arbeitgeberseitigen Rechtsanspruch gegen die Arbeitnehmerin, und entsprechend kann diese Bestimmung auch nicht massgeblich sein zur Bestimmung des Verjährungs-Regimes.

BGE 142 V 118

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Wie lange kann der Arbeitgeber PK-Beiträge beim Arbeitnehmer nachfordern?

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichts bringt Klärung.

Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin war seit September 2004 mit variablem Pensum beim Arbeitgeber beschäftigt. Versehentlich war sie nicht bei der Pensionskasse (PK) angemeldet worden. Im Jahr 2011 wurde der Fehler entdeckt, und die Frau wurde nachträglich bei der PK gemeldet. Die Kasse forderte beim Arbeitgeber Beiträge nach. Entsprechend wollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer-Anteil, den er nicht vom Lohn abgezogen hatte, bei der Arbeitnehmerin nachfordern. Diese war damit nicht einverstanden.

Rechtsstreit

Der gerichtliche Streit drehte sich v.a. um die Frage, auf welche Rechtsnorm der Arbeitgeber seine Forderung stützen könne, nämlich:

  • Art. 62 ff. OR (allgemeines Bereicherungsrecht) oder
  • Art. 66 Abs. 3 BVG. Dieser lautet:

Der Arbeitgeber zieht den in den reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung festgelegten Beitragsanteil des Arbeitnehmers vom Lohn ab.

Der Streit war nicht rein akademischer Natur, sondern wegen der unterschiedlichen Verjährung äusserst relevant:

  • Ansprüche nach Art. 62 ff. OR verjähren 1 Jahr ab Kenntnis des Anspruchs (relative Verjährung). Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin am 4. September 2012 eine genaue Berechnung der Nachforderung geschickt und damit seine Kenntnis des Anspruchs dokumentiert. Bei Klageerhebung im März 2014 war die Forderung nach Bereicherungsrecht unzweifelhaft (gesamthaft) verjährt.
  • Ansprüche auf Beiträge und Leistungen im BVG verjähren dagegen nach Art. 41 Abs. 2 BVG. Hier kommt es nicht auf die Kenntnis des Anspruchs als Ganzes an. Vielmehr verjähren die einzelnen Forderungen auf periodische Beiträge jeweils nach 5 Jahren (rollend). Nach dieser Norm waren bei Klageerhebung im März 2014 die Arbeitnehmer-Beiträge der letzten 5 Jahre noch nicht verjährt und damit rückforderbar.

Urteil des Bundesgerichts

Während das kantonale Gericht noch davon ausging, dass das Bereicherungsrecht nach Art. 62 ff. OR anwendbar sei, entschied das Bundesgericht, dass sich die Nachforderung der Arbeitnehmerbeiträge nach Art. 66 Abs. 2 BVG richtet und sie daher nach Art. 41 Abs. 2 BVG verjähren. Somit musste die Arbeitnehmerin ihren Anteil an die PK-Beiträge für die letzten 5 Jahre an den Arbeitgeber zurückzahlen. Das Bundesgericht argumentierte, für diese Regelung spreche, dass die Ansprüche der Kasse gegen den Arbeitgeber und die seinigen gegen den Arbeitnehmer gleichgeschaltet seien.

Kritik

Die bundesgerichtliche Begründung ist unter mehreren Gesichtspunkten zweifelhaft. Zum einen sehen die anschlussvertraglichen Grundlagen meist vor, dass der Arbeitgeber für Schaden haftet, den er der Kasse durch Unsorgfalt verursacht. Soweit Beitragsforderungen der Kasse gegenüber dem Arbeitgeber verjährt sind, weil dieser einen Arbeitnehmer zu melden vergessen hatte, bleibt noch immer zu prüfen, ob sie nicht dennoch, als Schadenersatz, vom Arbeitgeber geschuldet sind. Zum anderen – und das scheint mir das gewichtigere Argument – hat die Sondernorm von Art. 66 Abs. 3 BVG den Charakter einer Ordnungsvorschrift. Sie umschreibt die praktische Handhabung der Arbeitnehmerbeiträge im Regelfall. Weder vom Wortlaut noch vom Charakter her hat diese Norm die Qualität einer Anspruchsgrundlage. Nach meiner persönlichen Auffassung begründet sie keinen arbeitgeberseitigen Rechtsanspruch gegen die Arbeitnehmerin, und entsprechend kann diese Bestimmung auch nicht massgeblich sein zur Bestimmung des Verjährungs-Regimes.

BGE 142 V 118